Großvater Testo

Testo Großvater

Es ist halb vier mitten in der Nacht,
ich und Opa wir trink'n noch'n Schnaps.
Alle and'ren haben sich längst flach gemacht,
die ganze Familie, es war ein guter Tag.
Wir hatten uns ne‘ Weile nicht geseh'n,
und ich freu mich, ist bei ihm alles schön.
Ich hör zu, denn er ist am erzähl'n,
wir denken nicht daran schlafen zu geh'n

Wenn Großvater erzählt dann wird es spät,
denn er hat so viel erlebt,
es ist wie als würd‘ die Zeit zurückgedreht,
und ihm noch einmal im Jungen gegenüber steht.
Keiner hat ihn je gefragt, keiner wollte ihm zuhör'n,
doch die Erinnerung kann man nicht zerstör'n,
kanns ihm nicht nehm'n weils ihm gehör'n, ihm gehör'n

Wenn Großvater erzählt, erzählt er vom Krieg,
Er spricht von Hunger, Belagerung und Sieg
Bomben, Kreuzfeuer auf feindlichem Gebiet.
Und dann begreife ich warum er sonst zu allem schwieg,
dann erlebt er wie man seine Einheit ganz Vollkommen aufrieb,
und sein bester Freund tot im Graben liegen blieb,
er war erst 16 Jahre alt, als er die Heimat verlies,
und ihn Kriegsgefangenschaft geriet.
In Sibirien unter Tage,
überleben war ne aussichtslose Lage,
Spitzhacke in der Hand – kurz geschorene Haare,
in nem fremden Land, Strafarbeit für Jahre,
nichts zu essen, keine Frau, nur Tabakmangelware.
Seine ganze Kindheit war ne Militärparade,
seine ganze Jugend ne todbringende Strapaze
und er ist der einzige Großvater den ich habe,
hör zu und manchmal stell‘ ich ihm ne Frage.

Wenn Großvater erzählt dann wird es spät,
denn er hat so viel erlebt,
es ist wie als würd‘ die Zeit zurückgedreht,
und ihm noch einmal im Jungen gegenüber steht.
Keiner hat ihn je gefragt, keiner wollte ihm zuhör'n,
doch die Erinnerung kann man nicht zerstör'n,
kanns ihm nicht nehm'n weils ihm gehör'n, ihm gehör'n

Wenn Großmutter erzählt, erzählt sie vom Krieg,
vom letzten Brief von der Front vom Vater schrieb,
von ihrer Familie wie man sie vertrieb‘.
Und dann weiß ich warum sie sonst zu allem schwieg,
dann sagt sie wie es ist wenn man flieht,
alles verliert,
die besten Freunde nie mehr sieht,
und wie jung sie war, und grade frisch verliebt,
damals stolz zu ihrem Freund aufs Moped stieg‘,
sie kam vom Lande,
so genannte arme Leute, doch es rannte,
früh aufsteh'n und Feldarbeit war alles was sie kannte,
und die Nazis nannten sie ne Verbrecherbande,
sie nahmen ihr den Mann und nannten sie ne rote Schlampe.
Sie lebte mit Strafarbeitern, halb Verhungerte und Totkranke,
schmuckelte Brotleiber durch die Lagerschranke.
Überlebte Dresden, als die Stadt lichterloh brannte.
Ich hör‘ zu und manchmal sagt sie leise Danke.

Wenn Großvater erzählt dann wird es spät,
denn sie hat so viel erlebt,
es ist wie als würd‘ die Zeit zurückgedreht,
und ihr noch einmal im Jungen gegenüber steht.
Keiner hat sie je gefragt, keiner wollte ihr zuhör'n,
doch die Erinnerung kann man nicht zerstör'n,
kanns ihr nicht nehm'n weils ihr gehör'n, ihr gehör'n

Wenn Großvater erzählt dann wird es spät,
denn er hat so viel erlebt,
es ist wie als würd‘ die Zeit zurückgedreht,
und ihm noch einmal im Jungen gegenüber steht.
Keiner hat ihn je gefragt, keiner wollte ihm zuhör'n,
doch die Erinnerung kann man nicht zerstör'n,
kanns ihm nicht nehm'n weils ihm gehör'n, ihm gehör'n