Tante Th'rese Testo

Testo Tante Th'rese

Deine Schwestern, Tante T´hrese, waren sämtlich hübsch und grad. Du warst dafür der Tribut, an die Dämonenweld gezahlt. Dich mit deinen Flammenhaaren, deinem Feuermal am Kinn, den unendlich großen Füßen, nahmen sie als Fügung hin. Hocktest meistens in der Küche, hast die Mahlzeiten gemacht. Und du spültest ihre Schüsseln während ihrer Hochzeitsnacht. Du saß´t stundenlang an Wiegen, summtest, horchtest in den Wind und warst selig, wenn sie sagten, diesmal wäre es dein Kind. Man ertrug dich, ließ dich leben, durftest auch vo Türe gehen. Selbst den Tick an Fronleichnam haben sie dir fast verziehn.- War das ehrlich oder Rache, wenn du die Gardine nahmst, sie um Kopf und Schultern legtest, so zur Prozession rauskamst? Ob man dich auch schlug und einschloss, spätestens an der Station in Doktor Strathmanns Blumengarten knietest du, wenn wir kamen, schon. Sangst voll Inbrunst Litaneien oder auch ein Weihnachtslied. Alle lachten. Doch der Pfarrer kam zu dir und sang laut mit. Ja, Tante T´hrese, deine Schwestern sind nicht mehr auf dieser Welt, ihre Kinder, kühl und freundlich, zahlen jetzt ein Pflegegeld. Deren Kinder nämlich - heisst es - hätten vor dir große Angst, vor dir, die du allen Kindern nachts die Angst nahmst, wenn du sangst. Auch der Pfarrer ist nicht weise, so wie es der alte war. An Fronleichnam treten leise dicke Männer zum Altar in Doktor Strathmanns Blumengarten, drehen sich ganz sanft herum und bringen dich in der Gardine zurück ins Sanatorium. Ja, Tante T´hrese, ist schon richtig: Früher, das ist lange her. Wie du aussiehst - die Gardine -, das darf heute keiner mehr. Ja, ja, auch der Schnee ist anders, nicht so weiß wie früher mal. Herr, erlöse dich und andre hier aus diesem Jammertal.