Die Tote Testo

Testo Die Tote

Neulich starb in unserer Straße ein sehr junges, hübsches Mädchen,
und ich hab sie kaum gekannt, sie war neu in unserm Städtchen.
Sie war Waise, aber hatte einen schönen großen Mund,
um die Hüften war sie dicklich, und der Busen war sehr rund.

Als sie lebte, hab ich sie kaum gesehen, und ich war
nicht verliebt, mir gefiel nur ihr tiefschwarzes glattes Haar.
Und nach altem Brauche wurde sie im Leichenschauhaus ausgestellt,
niemand klagte, und sie schlief sehr allein in dieser Welt.
Und ich muß es euch gestehen, ich stand oft vor ihrem Sarg,
habe sie mir angesehen, und sie lächelte sehr karg.
Nun bin ich beileibe weder nekrophil noch sonst verdreht,
nur ich weiß, daß eine Tote leben kann, wenn man´s versteht,

richtig und mit schönen Worten einmal nur mit ihr zu reden.
Und ich tat´s. Und sie begann in mir wieder aufzuleben.
Und ich trug sie eines Abends, wie sie war, zu mir nach Hause,
wusch sie, kämmte ihr das Haar, denn das war vom Totsein krause.

Ihr versteht, ich wollte helfen, sie war kalt und war allein,
und ich habe sie gewärmt, und es mußte einfach sein,
daß ich nach sehr langen Nächten des Gesprächs mit ihr
und mir mich verliebte, und sie wurde nachts im Bett mein weiches Tier.

Ihr habt sie mir fortgenommen, und ich weiß, sie wollte bleiben,
jetzt in ihrem dunklen Grab muß sie einsam sein und schweigen.
Ihr habt sie mir fortgenommen, ich versteh: Ihr wart uns neidig.
Wißt ihr noch: Ihr Haar, das glänzte erst bei mir so blau und seidig!
Erst bei mir ist sie geworden, was sie immer werden wollte,
und ich kann es nicht begreifen, weshalb ich verrückt sein sollte,
und ich kann es nicht begreifen - hörtet ihr ihr Herz nicht pochen? -
weshalb weshalb einer von euch sagt, es hätt nach faulem Fleisch gerochen.